… und so fing es an…
Ich bekam zum ersten Mal meine Tage im Alter von 12 Jahren und kann mich nicht erinnern, seitdem jemals schmerzfrei gewesen zu sein. In der Schule hatte ich meinen Ruf weg, weil die Blutungen von Anfang an sehr stark waren und ich einfach damit überfordert war. So kam es ab und an dazu, dass Blutflecken an der Hose sichtbar waren und das war für Klassenkameraden ein gefundenes Fressen.
Ich erinnere mich an eine Situation: ich hatte heftige Krämpfe im Unterricht und bat um Erlaubnis auf Toilette zu gehen. Dort hatte ich heftigen Durchfall und anhaltende Krämpfe. Weil es mir peinlich war so lange zu brauchen, ging ich zurück in die Klasse, aber nach wenigen Minuten wurde es noch schlimmer. Jetzt wurde der Lehrer auf mich aufmerksam und fragte, ob mir übel sei. Ich konnte nur nicken und ging wieder zur Toilette. Dort brach ich vor Schmerzen zusammen. Einige Zeit später wurde meine Freundin geschickt, um nach mir zu sehen: ich lag immer noch eingeschlossen auf dem Boden. Meine Mutter wurde angerufen und erst als sie zur Schule kam, hab ich mich getraut aufzuschließen, weil es mir so peinlich war, wie ich dort lag.
Glücklicherweise wohnt meine Oma neben der Schule und betreute mich danach. Ich bekam eine halbe Schmerztablette und Krampflöser. Die Medikamente ließen mich einschlafen, aber ich erwachte wieder mit starken Krämpfen, wieder Toilette, wieder Kreislaufzusammenbruch. Meine Oma bekam nichts mit, aber irgendwann kam Mama, um mich abzuholen. Oma dachte ich hätte mich von der Couch ins Bett gelegt, aber dort lag ich nicht, sondern vor dem Klo.
Die Aussage meiner Oma: „Deine Tante hatte als junge Frau auch immer schlimme Probleme. Die konnte jedes Mal drei Tage nicht zur Schule“
Das war meine prägendste Erinnerung aus meiner Kindheit in Bezug auf die Endo und ich erinnere mich, als sei es letzte Woche gewesen.
… es muss ja irgendwie weiter gehen…
Schnell wurde man auf die Universallösung aufmerksam gemacht: nimm die Pille, da ist das nicht mehr so schlimm. Super Idee! Mama, ich möchte die Pille nehmen… Mama war nicht ganz so begeistert, aber als sich die Kreislaufzusammenbrüche während der Regel häuften, war sie dann doch einverstanden.
Mit der Pille wurde alles besser. Die Blutungen waren kontrollierbar und die Schmerzen hielten sich in Grenzen. Ganz weg waren sie nie, aber ist ja ok, weil „Schmerzen während der Regel sind ja normal“!
Ich wurde älter und lernte den ein oder anderen Mann kennen; mit 19 hatte ich schließlich den vermeintlichen Traummann gefunden, nur leider gab es ein Problem. Der Geschlechtsverkehr war quasi nicht existent. Ich hatte absolut keine Lust auf Zärtlichkeit, Berührungen oder gar Sex. Stimmt was nicht mit mir? Bin ich gestört? Oder vielleicht lesbisch? Erstmal Dr. Google konsultieren. Die Ursache war schnell diagnostiziert: Hormonelle Verhütung.
Der Wunsch, nicht mehr regelmäßig an die Pille denken zu müssen, wurde schnell sehr groß und umso nachlässiger auch meine Einnahmeintervalle, was nicht schlimm war, weil Sex gab es ja eh nicht.
Bei dem nächsten Besuch bei der Frauenärztin erhoffte ich mir eine umfangreiche Beratung und das mein Problem ernst genommen wird, aber mir wurden ausschließlich ein paar Info-Flyer in die Hand gedrückt mit den Worten „In deinem Alter ist die Pille das Beste und das Mittel der Wahl“
Nun ja, was soll ich sagen, ich war mega enttäuscht. Ein paar Wochen später hatte ich eine neue Frauenärztin und die hat sich tatsächlich auch Zeit genommen und mit mir gesprochen.
Die Entscheidung fiel relativ schnell auf den Kupferperlenball, den ich von meiner Freundin schon kannte.
… einmal umkrempeln bitte…
Mein Körper brauchte relativ lange, um wieder in seinen natürlichen Zyklus zurück zu finden, aber es war das spannendste, was ich je erlebt habe! Man lernt sich und seinen Körper völlig neu kennen, man bekommt ein Gespür für sich selbst und auch sexuell ist es kein Vergleich zu vorher!
Leider kam damit auch sehr schnell der Schmerz zurück. Die Blutungen waren noch heftiger, weil so ein Ball diese noch mal verstärken kann. Ich hatte es jetzt besser im Griff, aber ich musste trotzdem alle halbe Stunde auf Toilette, weil Tampon und Binde voll waren. Ich hasse Tampons, die tun mir einfach weh und sind unangenehm, egal welche, es war einfach grauenhaft. Leider ging es ohne diese lästigen Teile gar nicht.
Nach anderthalb Jahren, die man sich so von Zyklus zu Zyklus gehangelt hat, war es nicht mehr erträglich.
Ich hatte eine Woche vor der Periode Schmerzen, dann 7 Tage die Hölle und dann eine Woche danach nochmal… drei Wochen Schmerzen und eine, in der halbwegs Ruhe war. Ich hatte keine Kraft mehr, ich wollte nicht mehr, das kann doch nicht normal sein. Auch meine Kreislaufzusammenbrüche mit anschließender Ohnmacht waren wieder zurück.
… auf dem Weg zur Diagnose…
Ich muss kurz abschweifen um zu erwähnen, das ich in einem Krankenhaus arbeite. Ziemlich klein und familiär, sodass eigentlich jeder jeden kennt. Mein Glück.
An einem Sonntag, an dem ich mal wieder im Bad vor dem Klo lag, hat es meinem Freund dann gereicht. „Wir fahren jetzt zu deiner Kollegin. Die soll ein MRT machen.“
Das ich eine Zyste hatte, war bekannt, die war auch eingeblutet und dann war sie mal wieder weg und dann kam sie wieder, also wir waren Wegbegleiter. Aber sowas kann bei Krämpfen halt auch schnell mal platzen ...
Wir sind also ins Krankenhaus, die Zyste war wieder da und auch recht groß. Meine Freundin hat einen befreundeten Urologen angerufen, ob er vielleicht mal mit Ultraschall schauen könnte. Gesagt, getan. Nachdem ich ihm meine Beschwerden geschildert und er seinen Ultraschall beendet hatte, meinte er „Also, er ist zwar kein Gynäkologe, aber das hört sich extrem nach Endometriose an“ und Zack, da war es. Das Zauberwort.
Dr. Google ließ nichts Gutes erahnen und deswegen wurde dann doch mal bei der Gynäkologin nachgefragt. Die war relativ überrascht, weil ich die blöde Angewohnheit habe, Beschwerden Ärzten gegenüber etwas herunter zu spielen. Deswegen war sie recht verdattert, als ich sie fragte, ob das möglich sei. Und um das herauszufinden müsste man „mal rein gucken“
Mein Horror: eine OP… ja, ich arbeite im Krankenhaus und ich hab trotzdem wahnsinnig Schiss vor sowas. Was macht man also: man sucht sich eine Zweitmeinung. Guter Plan, vielleicht kann ein Endo-Zentrum das alles ohne großen Aufwand als schlechten Scherz entlarven.
Pustekuchen. Erstmal ein Termin in zwei Monaten. Dann kam Corona. Dann nochmal verschoben und nochmal. Nach einem halben Jahr war ich endlich dort. Ich hatte die MRT Bilder dabei und hoffte immer noch auf eine Wendung. Die sollte ich auch bekommen: der Arzt, der mich empfing, geriet beim Anblick der Bilder fast in Panik, er meinte das wäre alles entzündet und die Zyste hätte meinen Eierstock bereits zerstört und Schuld daran wäre der Kupferperlenball. Er würde den Eierstock entfernen und „sehen was noch zu retten ist“ und wir müssten sobald wie möglich operieren und er möchte das persönlich machen, aber er hätte ab morgen erst mal drei Wochen Urlaub.
Aha, Ok. Schockiert verließ ich das Endo-Zentrum. Ich hab ganz viel geweint und war fix und fertig. Ich hatte nicht mit sowas gerechnet. Vor allem die Aussage „mal sehen was noch zu retten ist“ hat mich bis aufs Mark erschüttert und das werde ich nie vergessen.
… das Ding muss raus…
Vier Wochen später war es dann soweit: der OP Termin. Ich hatte die Angst meines Lebens, ich bin in dieser Hinsicht echt ein schwieriger Fall. Ich musste gefühlt ewig warten, obwohl ich angeblich als erste auf dem Plan stand. Statt um 8 Uhr wurde ich erst halb 12 abgeholt und dann hab ich noch im Vorbereitungsraum zwei Stunden gewartet. Ich glaube, es war halb 2 ehe ich rein gefahren wurde. Die OP an sich sollte eine Stunde dauern, hat dann aber doch über drei Stunden gedauert. Die Narkose hab ich gut vertragen, aber so richtig zu mir gekommen bin ich erst, als ich schon vom Aufwachraum in mein Zimmer gefahren wurde. Der erste Blick unter die Decke war erschreckend. Vier Löcher statt erwarteten drei, Katheter und Drainage. Alles nicht schön. Immer wenn mich jemand gefragt hat, ob ich noch Schmerzmittel bräuchte, hab ich ja gesagt, egal, wie die Lage war und ich muss sagen, diese Taktik hat sich gut bewehrt. Es war ok. Die letzte Dosis hab ich glaub 18:00 bekommen und mir wurde gesagt, dass Mitternacht noch jemand kommt und nochmal was gibt. 23:30 bin ich aufgewacht, weil ich es fast nicht mehr ertragen hätte. Mir tat die Schulter weh. Höllisch. Als wäre sie ausgekugelt. (Übrigens häufig nach Laparoskopie) Ich hab nicht geklingelt und die Dosis um Mitternacht war rettend.
Am nächsten Tag ließen die Schulterschmerzen nach. Mein größtes Problem war, dass mir immer noch keiner erzählt hatte, was nun jetzt eigentlich gerettet werden konnte und was nicht. Diese Ungewissheit war echt nicht schön… es gehen einem hundert Sachen durch den Kopf… drei statt einer Stunde, was könnte bloß passiert sein…. Irgendwann am Mittag kam dann mein Operateur. Er war offensichtlich im Stress und meinte nur ganz kurz ,wie es mir ginge und dass der Eierstock noch drin ist und dass es sehr kompliziert war, weil ich im ganzen Bauchraum verteilt Endometriose habe. Wenn alles ok ist, dann könnte ich in 3-4 Tagen heim. (Übrigens absolutes Besuchsverbot. War ätzend)
Was in meinem Kopf nun vorging, war eigentlich zu aller erst Erleichterung. Mein Eierstock ist noch da. Alles an Ort und Stelle. Was die Info mit der Endo eigentlich bedeutet, war mir nicht bewusst in diesem Moment. Es war egal, mit meinen Organen war (in meinen Augen) alles in Ordnung, das hat gezählt. Die Erkenntnis, dass es jetzt eine Diagnose gibt, kam erst später. Jetzt im Alter von 24 Jahren gibt es endlich eine Diagnose.
Die Tage im Krankenhaus verliefen rückblickend ganz ok. Ich hab viel geweint, weil ich dachte, die wollen mich verhungern lassen, aber letztendlich hab ich es überlebt und war heilfroh wieder heim zu kommen.
… und wie geht’s jetzt weiter?…
Schon vor der OP wurde mir von einer Bekannten ans Herz gelegt nach einer Reha zu fragen. Das war das Beste, was passieren konnte. Ich war nach der OP ein paar Wochen Zuhause und bin dann zur Reha nach Bad Schmiedeberg.
Ich kann das wirklich nur jedem empfehlen. Dort lernt man erst einmal, was man eigentlich hat und die verschiedenen Wege damit um zu gehen. Man lernt neue Freunde kennen und merkt, dass man nicht allein ist. Man lernt auch noch weit schlimmere Schicksale kennen und ist dankbar für Verständnis und Mitgefühl von seinen Mitmenschen. Trotz Corona verbrachten wir dort eine wunderbare Zeit an die wir uns nach lange erinnern werden.
… wie sieht’s heute aus?…
Ich wurde 10 Tage nach der OP auf die „Zafrilla“ eingestellt. Ein Hormonpräparat, was ich durchgängig nehme und welches die Neubildung von Gebärmutterschleimhaut unterdrücken soll. Ja, eigentlich genau das, was ich nicht wollte. Mein Zyklus wird sozusagen unterdrückt, so dass ich meine Tage gar nicht mehr bekomme. Das, was ich an meinem Körper während der hormonfreien Zeit kennen gelernt hab, hat sich wieder verabschiedet. Allerdings habe ich die Wahl zwischen den Medikamenten oder in drei Jahren wieder auf dem OP Tisch zu liegen. Da muss man eine Entscheidung treffen.
Ich hatte ungefähr ein Viertel Jahr zu tun, weil ich immer wieder Schmierblutungen hatte, aber seither nie wieder. Wie jedes Medikament hat auch dieses seine Nebenwirkungen, ähnlich wie die der Pille.
Weiterhin habe ich immer noch Beschwerden, wenn ich auf Toilette muss oder beim Geschlechtsverkehr, allerdings im Vergleich zu vorher sind das Peanuts.
… komm zum Punkt….
Ich muss sagen, ein Jahr nach diesem ganzen Theater: im Großen und Ganzen geht es mir gut. Es gibt immer wieder Höhen und Tiefen, und gute und schlechte Phasen, aber ich versuche das Beste daraus zu machen. Ich genieße jeden schmerzfreien Tag und ich genieße, keine Regelblutung zu haben, und ich habe einen verständnisvollen Partner, der auch mit wenig Sex zufrieden ist.
Was ich euch mitgeben möchte:
Verliert nicht euren Mut! Ja, es ist eine chronische Krankheit und es ist echt nicht schön, aber ihr seid niemals alleine. Versucht euch selbst nicht nur auf die Krankheit zu reduzieren, sondern findet den Mut euren Weg trotzdem zu gehen. Es ist wirklich wichtig, dass sich nicht plötzlich alles nur noch um die Krankheit dreht! Ja, sie ist ein großes Thema und ein Teil von dir, aber gib dich selbst niemals auf. Deine Wünsche und Träume kannst du auch mit Endometriose verwirklichen! Heulen ist OK, aber danach Immer wieder positiv bleiben und nicht unter kriegen lassen!
Alles Gute!
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