Titel: Ödland – Der Keller (Erstes Buch)
Autor: Christoph Zachariae
Verlag: Lucid Dreams
Seiten: 235
Taschenbuch
Reihe: Ödland (5 Bücher)
Klappentext:
Die Welt, wie wir sie kannten, existiert nicht mehr. Sie ging vor vierzig Jahren unter. Aus Ressourcenknappheiten wurden Verteilungskämpfe, aus regionalen Konflikten Flächenbrände. Vom Land und von den Städten blieben nur Wüsten und Ruinen übrig: Das ÖDLAND.
Vierzig Jahre nach dem Zusammenbruch haben sich Überlebende in abgeschiedene Enklaven zurückgezogen, in versteckte Keller, alte Bergwerke, verbarrikadierte Dörfer und unzugängliche Stadtteile, denn bewaffnete Söldnerbanden ziehen durchs Ödland und greifen auf der Suche nach Essbarem und aufbereitetem Wasser jeden an, der ihnen in die Quere kommt.
Mega, ein neunzehnjähriges Mädchen, wächst in einer Enklave auf. In einem Heizungskeller unter einer verfallenen Universität. Die junge Frau hat einen Traum: Eines Tages will sie den Keller verlassen und die Welt erkunden, denn die muffige Enge lässt sie die Betonmauern hochgehen und das ewige Stillsein entspricht überhaupt nicht ihrem Wesen.
Die Gemeinschaft aus Wissenschaftlern und ehemaligem Sicherheitspersonal schickt Piloten ins Ödland, um Kontakt zu anderen Enklaven aufzunehmen, doch noch nie ist einer von ihnen zurückgekehrt. Schließlich wird Mega mit der Mission beauftragt im Osten eine Siedlung zu suchen, die Ersatzteile für die Wasseraufbereitung herstellen kann. In einem ultraleichten Liegefahrrad wagt sich die letzte Pilotin auf die leeren Autobahnen des Ödlands. Der Beginn einer gefährlichen Reise.
„Bäume waren verschwunden. Es gab nur noch Gras und Gestrüpp. Ein blasses Graubraun. Asche und Sand. Die Farben des Ödlands. Dessen, was übrig geblieben war.“ (S. 33)
Dies ist ein Endzeitbuch ohne Zombies. Die einzigen Monster, die das Ödland durchstreifen, sind Menschen auf der Suche nach Vorräten und Wasser. Der Hunger treibt sie an den Rand der Menschlichkeit, der Verzweiflung und des Wahnsinns.
Zuerst stellt sich mir die Frage, wie es zu diesem Ödland gekommen ist. Welche Katastrophe hat zum Ende der Zivilisation geführt? Wieso gibt es keine Bäume mehr, wenn die Natur nicht unterzukriegen ist und trotzdem noch Pflanzen wachsen.
Die Beschreibung vom Leben im Keller unter der Universität deutet darauf hin, dass die Katastrophe vorauszusehen war. Wie sonst hätten Prof. Walden und seine Mitstreiter so viele lebenswichtige Dinge beiseite schaffen können? Ganz zu schweigen von der vielen Ausrüstung für das geheimnisvolle Labor. Wieso haben sie sich in einem Keller eingesperrt, in dem es schwierig ist Lebensmittel anzubauen und sauberes Wasser zu fördern. Das alles erscheint sehr weit her geholt.
Mega hat das Ödland mit sechs Jahren überlebt. Sie wurde fast verhungert vor den Türen des Kellers gefunden und in die Gemeinschaft aufgenommen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sie sich in die Konklave eingelebt. Sie bestizt keine Erinnerungen an ihre Vergangenheit. Nach ihrem 19. Geburtstag soll sie hinaus in die Welt geschickt werden, denn die Menschen des Kellers brauchen wichtige Ersatzteile. Es gibt Gerüchte um eine Siedlung im Osten, zu der Mega mit Hilfe der Wissenschafler und des Liegefahrrads durch das Ödland reisen soll. Woher diese Gerüchte kommen, wird nicht erklärt.
„Sie war wild, würde gerne schreien und toben. Einmal laut sein dürfen, das war es, wonach sie sich sehnte.“ (S. 69)
Sie ist ein typischer Teenager, impulsiv und widerspricht, kann ihre Zunge nicht zügeln und möchte das, was sie nicht darf: an die frische Luft gehen. Sie hat außergewöhnliche Fähigkeiten, die nur am Rande erwähnt werden und sie besonders machen sollen, wie die außergewöhnlich gute Sicht oder der instinktive Umgang mit Waffen. Natürlich zufällig genau dann, wenn sie es gerade braucht.
„Sie versteht Dinge auf Anhieb, als würde sie nicht lernen, sondern sich erinnern. Manöver, Bewegungen. Sie lernt das nicht, sie erinnert sich.“ (S. 115)
Außerdem hat sie einen blauen Stern unter einem Auge tättowiert und rote Dreadlocks. Warum sie sich für diese Frisur entschieden hat, ist nicht nachvollziehbar. Dreadlocks brauchen intensive Pflege und wirken in einem Endzeitbuch fehl am Platz. Ganz zu schweigen von dem Gewicht, das sie ab einer bestimmten Länge haben können. Hier wäre eine Glatze für die Reise im Ödland sinnvoller gewesen.
Später durchstreigt Mega das Ödland auf einem Liegefahrrad. Es ist ausgestattet mit allerlei Technik, damit die Wissenschaftler ihr mit Rat zur Seite stehen können. Warum die Wissenschaftler sich für ein Liegefahrrad entschieden haben, erschließt sich mir nicht. Der einzige Vorteil, ist die entspannte Haltung beim Fahren. Ansonsten ist es für das Ödland unpraktisch: es kann kleine Unebenheiten nur schwer überwinden und lohnt sich nur auf geraden glatten Strecken. Deswegen ist Mega auf der Autobahn unterwegs, die jedoch häufig von liegen gebliebenen Autos versperrt ist.
Des Weiteren ist das Gewicht des Fahrrads fragwürdig. Die Wissenschafler des Kellers haben über viele Jahre die Expeditionen ins Ödland geplant und verbessert. So kann das Liegefahrrad schnell demontiert und in einem Rucksack verstaut werden. Ich habe erwartet, dass dieses Fahrrad so leicht wie möglich gehalten wird, denn Mega ist keine Bodybuilderin und die Reise durch das Ödland gefährlich und anstrengend. Ein optional unterstützender Motor und Bewaffnung sind daher nachvollziehbar. Auch die Überwachnungskameras sind einleuchtend, da Mega das Ödland unbekannt ist und die Kellerbewohner schon einige Expeditionen aus der Ferne begleitet haben. Warum das Fahrrad dann trotzdem über 40kg wiegt, ist mir unerklärlich. Das ist eine große Last. Woher kommt dieses Gewicht, wenn Fahrräder im Schnitt 15-20 kg wiegen? Warum wird nicht Gewicht gespart und die Kommunikation auf Funk beschränkt, damit Mega mehr Nahrung mitnehmen kann? Bei der ganzen Planung und der Erfahrung der vergangenen Expeditionen habe ich weniger Balast erwartet.
Hinzu kommt die Beschaffung des Materials. Es wurde zwar erwähnt, dass Fr. Kobe einige Teile beseite schaffen konnte, doch für wie viele Fahrräder hat sie das getan? Und warum? Das ist doch ein sehr seltsamer Zufall. Wie schaffen die Bewohner es den Funkverkehr über eine so große Distanz aufrecht zu erhalten, wenn es seit 40 Jahren keine funktionierende Technologie mehr gibt.
Neben dem Erzählstrang um Mega, den Keller und die Vorbereitung auf ihre Expedition gibt es noch einen weiteren, der scheinbar in der Zukunft spielt. Es geht um Hagen, der von Mega in eine Moorsiedlung gelockt wird. Hagen wirkt ausgezehrt und schwach. Die Menschen der Moorsiedlung nehmen ihn gefangen, foltern ihn und klagen ihn an, ihre Kinder getötet zu haben. Als die Szene zu eskalieren droht, werden die Moorbewohner von Hagens Söldnertrupp überfallen und es wird klar, dass das alles nur eine Täuschung war. Die Truppe besteht aus blutrünstigen, vergewaltigenden Idioten. Wie diese im Ödland lange überleben konnten, ist fraglich. Sie können nichts, außer töten.
Der Schreibstil erinnert an ein Drehbuch, die Schreibweise an Regieanweisungen. Die Geschichte wirkt kalt und emotionslos, obwohl das Ödland recht atmosphärisch beschrieben wird.
Wenn man mehrere Jahre auf engstem Raum leben muss, kein Tageslicht, so gut wie kein elektronisches Licht und immer das gleiche zu Essen hat, wird das Leben schnell schwierig. Dass die Menschen im Keller so gut miteinander auskommen, zeugt von einem hohen Überlebenswillen und strengen Regeln. In dieser kleinen Gemeinschaft kennt jeder jeden. Dass einige der Erwachsenen mit Titel und Nachnamen angesprochen werden, wie z.B. Prof. Walden und Dr. Kamura, verwirrt mich sehr. Dies zeugt von einer Distanz, die es auf so engem Raum nicht geben kann. Die Abkürzungen dieser Titel sind unpassend, vor allem bei Frau (Fr.) und Herr (Hr.).
Die Distanz und der Respekt, der diesen Personen entgegengebracht wird, sollte durch ihre Handlungen und die Reaktionen der Gemeinschaft auf diese gezeigt werden. Titel sind in diesem Fall unnötig.
Das Gleiche trifft auf die blutrünstigen Söldner zu. Es wird gesagt, dass sie verrückte Psychopathen sind, einer schlimmer als der andere. Doch ihre Taten sprechen nicht genug dafür. Die Beschreibungen sind brutal, aber nicht schlimmer als der normal marodierende Mensch.
Alles in allem ist das Buch verwirrend. Es beginnt mit Hagen, geht mit der sechsjährigen Mega weiter, die plötzlich ihren 19. Geburtstag feiert. Anschließend wird hin und her gewechselt zwischen dem Leben im Keller und Hagens Söldnertruppe. Inwieweit diese beiden Erzählstränge zusammen gehören, ob überhaupt, wird bis zum Ende nicht klar. Für mich läuft das auf ein aufregendes Sci-Fi-Szenario mit Zeitreise oder Einfrieren hinaus. Mega ist nicht so mega, wie sie vielleicht sein sollte und das Ödland öde.
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